Modedesignerin Karin Oèbster hat ihr Luxury Label KAYIKO mit einem exklusiven, eigenwilligen Stil etabliert. Seit 22 Jahren. Die Herbst-Winter-Kollektion'20 stand unter dem Motto „Escape into a Daydream“. Im Salon Profession erzählt sie über ländliche Naivität, die Qual knallenger Jeans, den Verlust an Inspiration während des Corona-Lockdowns und ihren Ausweg durch neue Träume.
Im Gespräch mit Doris Passler
Karin Oèbster (rechts) liebt ihr Handwerk und erschafft einen zauberhaften Modekosmos, der seinesgleichen sucht. Foto © KAYIKO
Salon Profession: Du kommst aus Kaprun. Hat dich dort einst der Stern der Mode getroffen?
Karin Oèbster: Den Stern der Mode gibt's in Kaprun nicht (lacht). Das mit der Mode kam so: Meine Mutter war sehr krank als ich zehn war. Meine Schwester und ich wurden von einer Nachbarin versorgt, die eine Tochter mit unglaublichem Zeichentalent hatte. Sie zeichnete andauernd Modeentwürfe. Ich war fasziniert und schwor mir, das will ich auch mal können.
Ich hab' mich hingesetzt und das Zeichnen trainiert, trainiert und trainiert.
In punkto Mode bist du deiner Mutter schon früh auf die Nerven gegangen.
Ja. Zum Beispiel, wenn es um Faschingskostüme ging. Ich erinnere mich, dass ich im Kindergarten unbedingt ein Sternthaler sein wollte.
Also doch was mit Sternen?
(lacht) Der Sternthaler hat einen Stern auf dem Kopf. Meine Mutter bastelte aber eine Krone. Ich verweigerte, denn ich wollte keine Königin sein. Also bastelten meine Eltern über Nacht einen riesigen Stern aus Karton und bemalten ihn goldfarben. Ich war überglücklich.
Deine Mutter nähte die Outfits für dich und deine Schwester. Mit mäßigem Erfolg. Du wolltest das meiste nicht anziehen.
Sie war sehr geschickt. Aber es gab oft Streit, weil sie meinen Geschmack nicht traf. Am schlimmsten war es, wenn sie aus rationalen Gründen für uns beide das Gleiche nähte.
Partnerlook. Wie ich das hasste.
Nach der Matura an der Hauswirtschaftsschule bist du als Au-Pair-Mädchen nach Paris und zurück in Österreich hast du als Bürofachkraft gearbeitet. Wann wurde das mit der Mode ernst?
Mir war bald klar: So ein Leben im Büro halt' ich nicht aus. Heimlich fand ich heraus, wo man Modedesign studieren konnte. Ich hab' gekündigt und dachte mir in meiner ländlichen Naivität, ich geh auf die Angewandte. (Anm.: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien)
Ab ins Blaue nach Wien?
Ja. Ich packte meine Sachen. In der Hauptstadt angekommen, musste ich aber feststellen, dass niemand auf mich gewartet hat. Ich hab' zwei Jahre gejobbt und nach einer passenden Ausbildung gesucht. Der Schulversuch des Mode-Collegs war dann meine Eintrittskarte, gefolgt von der Meisterprüfung am Wifi in Graz. Der Zufall wollte es, dass ich bei Christa de Carouge in der Schweiz die Chance bekam, zu entwerfen. Dort lernte ich das echte Mode-Business kennen.
Sechs überaus erfolgreiche Kollektionen hast du für die Avantgarde-Designerin entwickelt. Und dann?
Dann dachte ich mir: Das kannst du auch für dich selbst machen. Das war vor 22 Jahren.
Ich suchte mir eine Werkstatt mit kleinem Geschäft. Ohne Businessplan. Ohne zu überlegen, wem ich meine Entwürfe verkaufe.
Ich hab' in der Windmühlgasse im 6. Bezirk – dort, wo heute noch mein Atelier und Verkaufsraum ist – aufgesperrt. Eine große Eröffnungsparty war der Startschuss. Ich hab' alle eingeladen, die ich kannte, und sagte, nehmt so viele Leute mit wie ihr wollt.
Der Businessplan hat gefehlt, aber du hattest von Anfang an eine Vision für dein Label KAYIKO.
Für mich war klar. Ich fange ganz oben im Luxussegment an. Ich wollte nur mit den besten Materialien, der hochwertigsten Verarbeitung und Exklusivität Mode designen. Die Stücke sind bis heute extrem limitiert. Masse hat mich nie interessiert.
Wie konntest du dich durchsetzen? Österreich schaut in der Mode doch gerne ins Ausland. Eine heimische Luxusdesignerin, wie war das möglich?
Ich hatte Glück. Zur Eröffnung schickte ich eine Einladung an die ORF-Kunststücke, die damals von Andrea Schurian moderiert wurden. Auf die Einladung schrieb ich den markigen Spruch:
Wie alt muss ich werden, um nicht mehr als Jungdesignerin zu gelten?
Das hat der Redaktion gefallen und Andrea Schurian wurde über Wochen in meine Outfits gekleidet. So wurde KAYIKO übers Fernsehen bekannt. Zwei Jahre später machte ich mit der gesamten Kunststücke-Mannschaft samt deren Familien und Tiroler Loden im Wiener WUK einen große Fashion-Show. Das war wie ein Popkonzert mit medialer Resonanz in ganz Österreich.
Viel Aufsehen. Aber wie hält man das aufrecht über die Jahre?
Das ist die Kunst. Im Wettbewerb bestehen, heißt auch, dass es immer um Top-Qualität gehen muss, sonst nutzt einem die Inszenierung eines Popkonzerts nichts.
Karin Oèbster bei der MQ Vienna Fashion Week 2019. Foto © Balin Balev.
„Escape into a Daydream“ heißt deine aktuelle Kollektion. War die Flucht in Träume eine notwendige Strategie, um mit den Unsicherheiten unserer Zeit umzugehen?
Das hatte sehr persönliche Hintergründe.
Mit dem Lockdown sind mir zunächst gänzlich die Ideen und die Inspiration abhandengekommen. Es gab keine Inputs mehr. Das war für mich eine völlig neue und seltsame Erfahrung. Mein Hirn war wie leergefegt.
Ich wusste nur, ich muss irgendetwas dagegen unternehmen. Wir haben im Store einen bunten, psychedelischen Garten aufgebaut, wo man eintreten konnte, sich in eine andere Welt versetzten konnte.
Ich wollte etwas völlig Absurdes schaffen, das die Träume zurückbringt. Es ging ja nicht nur mir so.
Du hast heuer erstmals nach zehn Jahren keine Show bei der MQ Vienna Fashion Week gemacht, sondern deine Kollektion virtuell präsentiert, so wie die internationale Haute Couture.
Mir war schon im April klar, dass das Virus im Herbst nicht weg sein wird. Meine Models und meine Kund*innen der Gefahr einer Corona-Infektion auszusetzen, wollte ich keinesfalls.
Im psychedelischen Garten präsentierten wir die Modelle einzeln und machten ein Video daraus. Da ging es uns ums Detail. Das Echo darauf war enorm.
Virtuelle KAYIKO Kollektion 2020/2021 bringt Träume zurück.
Dennoch gibt es finanzielle Einbußen.
Zugegeben, die Umsätze sind geringer als üblich. Die Atmosphäre einer analogen Show, das kollektive Erlebnis kann man nicht 1:1 in den digitalen Raum übertragen. Normalerweise verkaufe ich bei der Aftershow-Party im Atelier und in den zwei Monaten danach die gesamte Kollektion.
Jetzt sind die Kund*innen zurückhaltender. Viele wollen die exklusiven Stücke bei Kulturveranstaltungen ausführen. Die fehlen jetzt aber.
Andererseits muss man nicht im Jogging-Anzug einkaufen oder zur Arbeit gehen.
Richtig. Doch das Bewusstsein, sich in der Öffentlichkeit – ganz egal wo –gut und individuell zu kleiden, fehlt in Österreich. Viele brauchen dafür einen Anlass. Das Auge wird im Alltag dafür kaum noch geübt.
Du arbeitest mit ungewöhnlichen, sehr losen Schnitten. KAYIKO zu tragen, fühlt sich großzügig an. Du liebst Gummizüge bei Hosen und Röcken und warst schon immer von japanischen Kimonos fasziniert. Woher kommt das?
Ich komm aus einer Generation, in der man knallenge Jeans tragen musste. Sie waren eine Qual, aber Ausdruck von Coolness. Es gab damals keinen Stretch.
Wir kriegten die Hosen nur zu, wenn wir uns flach auf den Boden legten. Was hab' ich mir damit die Luft abgeschnitten.
Das will ich nie mehr wieder (lacht). Deshalb gibt es in all meinen Kollektionen den Gummizug. Was den Kimono betrifft, den fand ich immer schon inspirierend, weil er jeder und jedem, egal ob groß oder klein, dick oder dünn, passt. Mit dem sogenannten Obigürtel kann man ihn perfekt arrangieren.
Mode muss jeder Figur passen und bequem sein?
Ja. Und gut ausschauen.
Abseits von knallengen Jeans. Was würdest du niemals anziehen?
Ein pinkfarbenes, hautenges Mini-Stretchkleid mit Plateau-Highheals.
Ok, also Stretch ist nicht dein bevorzugtes Material. Was macht guten Stoff aus?
Ich hab' früher mit neuartigen Materialien experimentiert, die auch Kunstfaseranteile beinhalten. Die Leute fragen aber immer mehr nach Naturmaterialien wie Seide, Baumwolle oder Kaschmir. Die Stoffe, die ich verarbeite, sind zu fairen Bedingungen hergestellt und kommen vorwiegend aus Italien, Frankreich oder Deutschland.
Um die Qualität wirklich beurteilen zu können, muss ich aber jeden Stoff angreifen. Es ist wichtig, wie er sich auf der Haut anfühlt.
Deine Stücke sind hochpreisig. Warum zahlt sich ein Kauf aus?
Meine Mode wendet sich gegen das schnelle Glück eines Billigkaufs. KAYIKO-Stücke trägt man viele Jahre und sie lassen sich stets neu kombinieren.
Durch Corona gab es eine Rückbesinnung auf lokale Produzent*innen. Wo produzierst du?
Ich habe eine Auftragsnäherin in Wien, die auch für andere Labels arbeitet. Das war 2020 natürlich grandios. Ich konnte meine Herbst-Winterkollektion ohne Einschränkungen herstellen. Die Stoffe hatte ich auf Lager. Die Modebranche arbeitet üblicherweise mit globalen Lieferketten, die durch die Pandemie ins Stocken geraten sind. Für viele eine sehr herausfordernde Zeit.
Eine Zeit, in der Nachhaltigkeit Anschub verliehen wird?
Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei. Man ist als Label in der Verantwortung, faire Produktionsbedingungen zu fördern oder sich auch auf lokales Handwerk zu besinnen. Inzwischen springen immer mehr internationale Marken auf diesen Trend auf, denn die Nachfrage seitens der Konsument*innen steigt. Ein gutes Beispiel ist der Konzern Kering. Er vereint unter seinem Dach Labels, die strengen Nachhaltigkeitskriterien genügen. Da zählen etwa Marken wie Alexander McQueen dazu.
Karin Oèbster trifft man am besten persönlich bei
KAYIKO – Viennese Avant-Garde.
Windmühlgasse 16
1060 Wien
Dienstag - Freitag 12:00 - 18:00
Samstag 11:00 - 17:00 oder nach Vereinbarung
Ihre Kollektionen gibt es im Store und online auf www.kayiko.com.
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